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Schockdiagnose am Geburtstag: Wie ein Knoten mein Leben positiv veränderte

Aktualisiert: 23. Juli

Vom Alltagsleben gehetzt stürzte ich mich in den frühen Morgen und versuchte, mit einer schnellen Dusche den Nebel der Müdigkeit zu vertreiben. Die Nacht zuvor hatte mir keine Ruhe gegönnt – Klein M. war krank, und die Kämpfe, die sie in ihren wilden Träumen führte, verpassten mir regelmäßig Schläge und Tritte, die mich aus dem Dämmerschlaf rissen. Ich wusste, dass die Nacht nicht einfach werden würde, doch anstatt ins Bett zu gehen hatte ich mich den unerledigten Arbeitsaufgaben gewidmet. Jetzt kämpfte ich gegen die Erschöpfung an und hetzte durch die Morgenroutine, als wäre der Tag bereits ein Wettlauf gegen die Zeit.


In Gedanken längst beim nächsten Punkt der To-Do-Liste, seifte ich mich hastig ein, als mich plötzlich ein unbekannter, murmelgroßer und hartnäckiger Fremdkörper in der Brust, den ich zufällig beim Einseifen ertastete, aus meinen Gedanken riss. Urplötzlich hellwach, strich ich mehrmals über diese Stelle, die ich am liebsten ignoriert hätte. Wie Sirenen in der Nacht erklangen die Alarmglocken in meinem Kopf. Intuitiv spürte ich, dass dies ein ungutes Zeichen war. Mit einem Mal stand die Zeit still, und alle Aufgaben und Erledigungen des Tages, die mich noch vor fünf Minuten dazu veranlasst hatten, mir keine Zeit der Selbstfürsorge zu nehmen, verblassten in den Hintergrund. Was hatte ich da eben gefunden?


Intuitiv wusste ich, dass ich eine ernstzunehmende Entdeckung gemacht hatte. Noch bevor ich meinem Mann von dem Knoten in meiner Brust erzählte, rief ich meine Frauenärztin an. Sie bestellte mich am nächsten Tag in die Praxis – ein Timing, das ausgerechnet auf meinen 37. Geburtstag fiel. Ich hatte das untrügliche Gefühl, dass dieser Tag in vielerlei Hinsicht besonders werden würde. Nicht nur sollte es der Tag meiner Geburt sein, sondern auch der Tag, an dem mein bisheriges Leben eine dramatische Wendung nehmen würde. „Na, Happy Birthday“, murmelte ich mir selbst zu, während ich regungslos auf das Sonographiegerät starrte. Eine dumpfe Stimme drang allmählich zu mir hindurch: „Ich gehe davon aus, dass es ein gutartiges Fibroadenom ist“, verkündete meine Frauenärztin ermutigend, riet jedoch vorsichtshalber zu einer Mammographie und Stanzbiopsie. Wir gingen gemeinsam zur Rezeption und sie bat die Sprechstundenhilfe sich um weitere Untersuchungstermine zu kümmern. Die Minuten verstrichen, und mit ihnen auch ein Teil meiner Unbeschwertheit – der Geburtstag, der alles veränderte, hatte gerade erst begonnen.


Eine wahre Odyssee nahm ihren Anfang, als die Sprechstundenhilfe mir den frühesten Mammographie-Termin erst für August anbot – eine Wartezeit, die, wie sich später herausstellte, mein Todesurteil gewesen wäre. Obwohl ich Krankheitssymptome selten ernst nahm und meist darauf vertraute, dass sich meine Beschwerden von selbst bessern würden, ließ mich dieses Mal die innere Unruhe nicht los. Beharrlich und unermüdlich rief ich in der Praxis an und schilderte eindringlich meine Situation, doch niemand schien zur Eile bewegt. In einem letzten verzweifelten Versuch hörte ich mich plötzlich sagen: „Aber heute ist mein Geburtstag. Verpassen Sie mir keine Abfuhr.“ Diese Worte durchdrangen endlich die Gleichgültigkeit der Sprechstundenhilfe, und sie schob mich für die kommende Woche zwischen die bereits bestehenden Termine.


Während mir die Tage sonst viel zu kurz erschienen, um Kind, Arbeit und Haushalt unter einen Hut zu bringen, blieb die Zeit plötzlich stehen. Ich durchlebte gefühlte Wochen des Wartens, ohne den alltäglichen Pflichten Beachtung zu schenken. Die langen Stunden, die ich nun hatte, ließen Raum für eine quälende Reflexion. All die Dinge, auf die ich bislang meine Aufmerksamkeit gerichtet hatte – die endlosen To-Do-Listen, die rastlosen Tage, das unermüdliche Streben nach mehr – erschienen mir plötzlich in einem anderen Licht.


Diese erzwungene Pause ließ mich die wahre Bedeutung von Leben und Gesundheit erkennen. Die flüchtigen Erfolge, die ich gejagt hatte, verloren an Bedeutung im Angesicht der Ungewissheit, die nun meine Tage beherrschte. Ich fragte mich, ob ich den richtigen Weg gewählt hatte, ob ich die wirklich wichtigen Dinge im Leben vernachlässigt hatte. Die Momente des Zweifelns und Hinterfragens wurden zu meiner neuen Realität, während ich auf den endgültigen Befund wartete. Jeder Atemzug, jeder Herzschlag war ein stummer Zeuge meiner neuen Erkenntnis: Das Leben war kostbar, und es war höchste Zeit, ihm die Wertschätzung entgegenzubringen, die es verdiente.


Der lang ersehnte Untersuchungstag stand endlich bevor, doch das Ergebnis brachte keine Klarheit. Der Arzt, der mich behandelte, wirkte kalt und desinteressiert. Mit gleichgültigem Tonfall erklärte er mir, dass die Bilder der schmerzhaften Mammographie, die ich über mich ergehen ließ, keine eindeutigen Aussagen über meinen Gesundheitszustand lieferten. „Gutartige Tumore haben eine klar definierte Umrandung, bösartige nicht“, sagte er knapp und schaute kaum von den Bildern auf. „Bei Ihnen fehlt der scharfe Umriss, um eine eindeutige Aussage treffen zu können. Nur eine Stanzbiopsie wird Gewissheit schaffen.“


Seine Worte trafen mich wie ein Schlag, der mir klar machte, dass das Warten noch lange nicht zu Ende war. Doch auch diese Zeit verging und brachte einen Tag, der mir wohl immer in Erinnerung bleiben würde. Im Gegensatz zum desinteressierten Radiologen nahm sich die angehende Ärztin viel Zeit und schallte mich gründlich. Schon während des Ultraschalls entdeckte sie klare Indizien, dass das vermeintlich harmlose Fibroadenom alles andere als harmlos war. Große und auffällige Lymphknoten auf der Seite der befallenen Brust ließen Schlimmes erahnen.


Die Stanzbiopsie war beängstigend, eine komplizierte Prozedur, da das verhärtete Gewebe gefährlich nahe an der Lunge lag. Es erforderte die Anwesenheit von zwei weiteren Oberärzten, um sonographisch den richtigen Winkel für die Biopsie zu bestimmen und die Lunge bei der Probennahme nicht zu verletzen. Die Atmosphäre im Raum war angespannt, jeder Handgriff wohlüberlegt und präzise.


Nachdem die Untersuchung endlich vorbei war und ich mich gerade wieder anzog, stellte ich plötzlich eine Frage, die ich selbst kaum fassen konnte: „Was ist das schlimmste Szenario, das mich erwarten könnte?“ Die Ärztin hielt inne, sah mich ernst an und erklärte ruhig und sachlich die verschiedenen Brustkrebsarten und deren Therapiemöglichkeiten. Eine Form ragte besonders hervor: der triple-negative Brustkrebs. Dies sei die aggressivste Variante, die mich treffen könnte, und ihre Worte hallten in meinem Kopf wider, während ich versuchte, die Bedeutung dessen zu erfassen.


Die Besprechung des Biopsieergebnisses wurde für den kommenden Freitag, direkt nach der Tumorkonferenz, angesetzt. Eine weitere Wartezeit, die sich wie zäher Kaugummi ins Endlose zog. Ich hielt mich an dem Funken Hoffnung fest, dass das Ergebnis all meine Vorahnungen verpuffen ließ und die geschwollenen Lymphknoten nichts weiter als die Folge wiederkehrender Infekte waren, an denen ich dank der Kindergartenviren, die klein M. täglich nach Hause schleppte, immer wieder litt.


Mein Mann und ich saßen im Wartebereich, der sich mitten im Flur befand, und wir beobachteten die vielen besorgten Blicke der Frauen, die auf ihre Ergebnisse warteten. Einige zogen Infusionen neben sich her und die getragenen Kopfbedeckungen ließen untrüglich erkennen, dass sie bereits den Kampf ihres Lebens austrugen. Ich erkannte die Ärztin wieder, die mich biopsiert hatte und bei der ich den Besprechungstermin haben würde. „Ich bin gleich bei Ihnen“, ließ sie mich eilig wissen, ohne auch nur den Blick zu heben. Es vergingen weitere 15 Minuten, die sich wie Stunden anfühlten. Mein Puls ließ sich trotz Atemübungen nicht verlangsamen, und ich spürte, wie die Angst meine Kehle zuschnürte.


Endlich war es soweit. Die Ärztin ließ uns den Besprechungsraum betreten. Nachdem wir alle Platz genommen hatten, holte sie tief Luft. „Erinnern Sie sich an die Frage, die Sie mir nach der Biopsie gestellt haben? Genau das ist eingetroffen. Die aggressivste Brustkrebsart – der Triple-Negativ – haust in Ihrem Körper und treibt in rasender Teilungsgeschwindigkeit sein Unwesen.“ Nun hatte ich es schwarz auf weiß: Fucking Krebs.


Überraschenderweise blieb ich ruhig. Ich hatte es von Anfang an gewusst und war trotz der niederschmetternden Diagnose einfach nur dankbar für die Gewissheit. Vor allem aber war ich erleichtert, zum ersten Mal seit Langem auf meine Intuition gehört zu haben. Ich hatte den ertasteten Knoten in meiner Brust ernst genommen und für einen schnelleren Termin gekämpft. Nun, mit der Diagnose in der Hand, wurde mir schlagartig klar, wie blind ich für die Signale meines Körpers gewesen war. Kleine Anzeichen, die ich in der Hektik des Alltags einfach ignorierte. Doch ich fühlte auch eine unerwartete Ruhe und Klarheit. Ich dachte augenblicklich an klein M. und wusste, ich würde diesen Kampf mit allen verfügbaren Mitteln führen, um vor allem sie vor den gleichen Fehlern zu bewahren. Diese Erkenntnis war der Beginn eines neuen Kapitels in meinem Leben – eines achtsamen Lebens.


Ich beschloss, bewusster zu leben, innezuhalten und auf die Bedürfnisse meines Körpers zu hören. Jeder Tag wurde zu einer Chance, mich neu zu entdecken und zu schätzen. Der hektische Alltag, der mich früher beherrschte, wurde nun von Momenten der Ruhe und Achtsamkeit durchbrochen. Ich lernte, die kleinen Dinge zu schätzen, die ich zuvor übersehen hatte.


Die Diagnose markierte nicht das Ende, sondern den Beginn einer Reise zu mir selbst. Sie lehrte mich, dass inmitten des Chaos und der Ungewissheit die wahre Stärke in der Achtsamkeit liegt. Ich nahm den Kampf auf, nicht nur gegen den Krebs, sondern auch gegen die Unachtsamkeit, die mich so lange begleitet hatte. In diesem Kampf fand ich eine neue, tiefere Verbindung zu mir selbst und zu denen, die ich liebe.


Seither ist es mir ein Herzensanliegen, meine Erfahrungen zu teilen und Bewusstsein für das Thema Brustkrebs zu schaffen. Ich möchte dieses zweite Leben nutzen, um euch daran zu erinnern, wie wichtig präventive Ernährung, regelmäßige Bewegung und eine achtsame Lebensführung sind. Wir haben nur einen Körper, der uns durchs Leben trägt, und er verdient unsere volle Liebe, Aufmerksamkeit und Dankbarkeit.





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